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Neue Rheinische Zeitung


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Abschlussfeier und Premiere des Projektes „Spurensuche“ im Kölner Filmhaus
„Purane Korakori“ – „Alte Schritte“
Von Peter Bach und Peter Kleinert

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Über ein Jahr lang machen sich 20 Kölner/innen unterschiedlicher Herkunft auf die Spurensuche gemeinsamer Geschichte und Gegenwart. Sie sind Roma aus Rumänien und dem ehemaligen Jugoslawien, Deutsche, kommen aus der Türkei und aus Griechenland. Die Spurensuche beginnt im Köln des Nationalsozialismus, führt ins „Zigeunerfamilienlager“ nach Auschwitz und endet wiederum im heutigen Köln. Im Mittelpunkt des Films steht dabei neben den Erinnerungsorten die Projektgruppe selber mit ihren unterschiedlichen Bezugnahmen auf historische und aktuelle Beziehungsgeschichte.

„Wir sind in der Gruppe montags abgefahren, Türken, Armenier, Kurden, Russen, Deutsche, und wir hatten eine große Distanz zueinander. Wir sind nach sechs Tagen zurückgekommen und waren Menschen, die ein großes Verständnis füreinander entwickelt hatten und eine große Wärme verspürten - ich muss sagen, auch versprühten.”

Das ist die Aussage einer jugendlichen Teilnehmerin in ihrem Bericht von der letzten Berlinfahrt des Projekts „Spurensuche“. Zu „versprühten“ muss ich als Zuschauer vom letzten Sonntag im Kölner Filmhaus sagen: Bisher war es mir nur bei wenigen Gelegenheiten vergönnt, so intensiv menschliche Wärme zu spüren wie auf der gesamten Abschlussfeier zur „Spurensuche“- einschließlich natürlich der Uraufführung des Films „Purane Korakori“ - „Alte Schritte“.

‘Endlich mal ein eigener Pass!’
‘Endlich mal ein eigener Pass!’
Foto: Still aus dem Fim

Regie, Kamera und Drehbuchentwicklung sind eine Gemeinschaftsproduktion der 17 Mitglieder der Projektgruppe: Susanne Gannott, Janina Göttling, Cem Günhan, Murat Onur Gürgöz, Kasida und Mladen Ibisevic, Dragan Jovanovic, Jannis Keladis, Christine Mayer, Grit Morgenroth, Aysegül und Kemal Özipek, Onur Saylan, Jordan, Lalok und Sladjan Selimovic, Carolina Stoika und Cornelia Storch. Begleitet wurde das Projekt von Dogan Akhanli (Schriftsteller), Iris Biesewinkel (Sozialberaterin des Rom e.V.), Holger Kieß (Autor für Film und Fernsehen und Medienpädagoge) und Anne Klein (Historikerin). Träger des Projektes sind der Kölner Appell gegen Rassismus e.V. und der Rom e.V. Köln.

So schafft es Klaus Jünschke bei seiner Vorstellung des Kölner Appell mit nur einem Beispiel klar zu machen, wie groß die Distanz von mitfühlender menschlicher Herangehensweise zur „Wertordnung“ großer bundesdeutscher Politik ist: Es wird ein türkischer Jugendlicher wegen Beihilfe an einem bewaffneten Raubüberfall verurteilt, weil er einem Freund eine Gaspistole gegeben hat, mit der dieser einen Kiosk überfallen hat - und er, der noch nie in der Türkei gelebt hat, ist von Abschiebung bedroht. Die Bundesrepublik Deutschland gehört zu den größten waffenexportierenden Staaten der Welt. Nie ist ein Waffenhändler verurteilt worden, weil er Waffen zu Völkermord und Krieg weitergegeben hat. Diese wirtschaftlichen Interessen muss man sich vergegenwärtigen, so Klaus Jünschke, um mit der antirassistischen Arbeit nicht in der Folklore zu landen. Die Völkermorde, die Gegenstand des Projektes Erinnerungsarbeit des Kölner Appell waren, sind nicht aus mangelnder Toleranz entstanden. Diversity management und Toleranz predigen die, die vom Kapitalismus schweigen.

‚Zigeunerfamilienlager’ Auschwitz-Birkenau
‘Zigeunerfamilienlager’ Auschwitz-Birkenau
Foto: Still aus dem Fim

Die Unterstützung von Jugendlichen, denen infolge Vergehen die Abschiebung aus ihrer Heimat Bundesrepublik Deutschland droht, ist eines der Aufgabengebiete des Kölner Appell. Die Moderatorin des Abends selbst berichtet, wie der Rom e.V. sie vor Abschiebung in eine wahre Hölle bewahrte und wie ihr die Freundschaft und Unterstützung der Gruppe zu einem glücklichen Hier-sein mit ihrer Familie verholfen haben.

Der Film beginnt mit einer bewegenden Szene: Die nach Auschwitz mitreisenden Roma halten ihre Pässe hoch und alle sagen, wie sehr sie sich wünschen würden, so einen Pass zu besitzen. Dass sie durch ihn ihren Lebensunterhalt verdienen könnten, dass sie nicht immer in Angst vor Abschiebung leben müssten, dass behördliche Vorgänge endlich mal „normal“ abliefen, aber leider sei dieser Pass beschränkt auf die Reise und müsse danach wieder zurückgegeben werden. Trotzdem seien sie glücklich, dass sie endlich einmal „normal“ in ein anderes Land reisen können.

Auch Projektleiter Dogan Akhanli läßt uns an der Widersprüchlichkeit seiner Empfindungen teilnehmen, wenn er von Deutschland als von einem Land spricht, das ihn anlässlich seines Auschwitz-Besuches spüren ließ, welche unvorstellbaren Verbrechen von diesem Land ausgegangen sind. Gleichzeitig hat dieses Land ihn als Flüchtling aufgenommen. Das selbe Land, aus dem Flüchtlinge oft genug mit zynischen Begründungen abgeschoben werden, hat gleichzeitig ihm, der ebenfalls erst in einem Asylbewerberheim gelandet war ermöglicht, solche Projekte zu leiten.

Fast programmatisch sagt eine Rednerin: „Es wurde kürzlich festgestellt, die ganze Welt braucht eine interkulturelle Therapie. Unser Projekt versteht sich jedenfalls als ein Teil davon.“

Dies ist kein Bericht - es tut mir leid um die guten Redebeiträge, die ich nicht wiedergeben kann - es ist nur der Eindruck einer Veranstaltung mit Menschen, die das eigene und das vermeintliche Schicksal anderer Menschen nicht hinnehmen, sondern zum Guten wenden wollen, die vor der Kälte nicht kapituliert haben. Eine Stadt wie Köln könnte stolz sein, auf solche Gruppen. Und wenn keiner der eingeladenen Pressevertreter im Filmhaus auf dieser von über 100 Menschen besuchten Feier und Filmpremiere anwesend war, sagt das wenig aus über die Veranstalter aber viel über diese Gesellschaft und ihre Presse. Trotzdem ließen Aktive und Gäste die Feier mit Musik und einem köstlichen Büffet in bester Stimmung ausklingen.

Filmplakat

- Donnerstag, 2. November 2006, Allerweltshaus Köln (Körner Str. 77-79)

Online-Flyer Nr. 63 vom 26.09.2006

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