Diktaturen und Widerstand in Spanien, Portugal und Griechenland
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Bericht von Elke Kochann
Zum Vortrags- und Diskussionsabend am13. November konnten drei Referenten im Allerweltshaus Köln begrüßt werden. Die Veranstaltung fand im Rahmen des Projekts „Erinnern für die Menschenrechte“ und der Reihe „Geschichte und Geschichten“ statt. Thema des Abends war „Diktatur und Widerstand in Griechenland, Spanien und Portugal“.
Zu Thema Portugal war Cristina Kippahl anwesend. Die Journalistin und Autorin ist in Portugal aufgewachsen.
Über Spanien berichtete Paco Mirallas, der, Kind einer spanischen „Gastarbeiterfamilie“ in Deutschland, in den 1970er Jahren Mitglied einer anti-franquistischen Widerstandsgruppe in Deutschland war. Er wird aus persönlicher Perspektive über die letzte Phase der Franco-Diktatur erzählen.
Zu Informationen über Griechenland konnte Kostas Papanastasiou begrüßt werden. Der Schauspieler und Musiker betrieb während der Diktatur das Lokal „Terzo Mondo“ in Westberlin, welches Zentrum der Unterstützung der Oppositionellen in Westberlin war. Die Lieder seines Freundes Mikis Theodorakis gaben ihnen in dieser Zeit Mut für die illegale Arbeit in Griechenland und die Hoffnung auf Freiheit.
Ralf Berger moderierte den Abend und leitete ihn mit der Vorstellung eines Buches ein. Die gelesene Textpassage aus dem Buch „Operation Menschenfresser“, beschreibt das politische Dilema des spanischen Regimes nach dem Attentat der ETA im Dezember 1973 auf Carrero Blanco, den designierten Nachfolger Francos. Es war der Einstieg in einen interessant gestalteten Abend, der im Gegensatz zu sonstigen Veranstaltungen thematisch nicht durch Vorträge den Einstieg in das jeweilige Thema bot, sondern von Berger mit allen Referenten dialogisch moderiert wurde.
So ging dann die erste Frage, die auf den Charakter der jeweiligen Diktaturen abzielte, zuerst an Paco Mirallas. Mirallas war seit seinem 7. Lebensjahr in Deutschland und während seiner Zeit als Student in einer gewaltbereiten anti-franquistischen Organisation tätig. Er wollte den „revolutionären Kampf“ sowie den „Kampf der Massen“ unterstützen. Francos Regime vertrat die Interessen, so Mirallas, einer Oligarchie aus Großgrundbesitzern und Finanzkapital. Die Falange, der „Einheitspartei“, hatte keine derartige Bedeutung wie vergleichbare Parteien in anderen europäischen Ländern. Repressionen waren für die Bevölkerung, die die Diktatur nicht unterstützt hat, gerade in der Zeit nach dem Bürgerkrieg allgegenwärtig und wurden entschieden angewendet. In der Endphase der Franco-Diktatur kam es zu heftigen Auseinandersetzungen. Der Widerstand wurde - gerade an Universitäten, aber auch unter den Arbeitern, immer größer.
Was die Kräftekonstellation im Lager der Diktatur anbelangte, waren nach Francos Tod verschiedene Blöcke bestimmbar: es gab die Hardliner und Falken (Francismo ohne Franco), die eher Liberalen (Annäherung an die EU). Auch im Widerstand gab es verschoiedene Strömungen. Die PSOE hatten erst am Ende der Diktatur langsam an Kraft gewonnen.
Die Angaben der Opferzahlen variieren, so Mirallas, jedoch sei man dabei dieses Kapitel der Geschichte Spaniens langsam aufzuarbeiten. Es könne jedoch davon ausgegangen werden, dass nach dem Bürgerkrieg ca. 200.000 Menschen hingerichtet wurden; ca. 600.000 gingen ins Exil und viele tausende wurden in politische Gefangenschaft gekommen.
Den Charakter der portugiesischen Diktatur und des Widerstands dagegen erläuterte im Anschluss Cristina Kippahl. Die Diktatur in Portugal dauerte von 1926 bis 1974 und wurde durch die Nelkenrevolution vom 25. April 1974 beendet. Der Auslöser der Nelkenrevolution war die Kriegsmüdigkeit angesichts eines seit vielen Jahren andauernden und sehr verlustreichen Krieges in den Kolonien Mosambique, Angola und Guinea Bissau. Am 24. April am späten Abend spielte der portugiesische Rundfunk das Liebeslied E depois do adeus (Nach dem Abschied) von Paulo de Carvalho, welches ein verschlüsselte Signal an die aufständischen Truppen war.
Kippahl ging auf die Entstehung der Diktatur ein, da es bedeutende Unterschiede im Vergleich zu Spanien gab. Im Jahre 1910 wurde in Portugal die erste Republik ausgerufen. Die folgenden Jahre waren geprägt durch chaotische Zustände, die für die Bevölkerung unter anderem Hunger und Bürgerkrieg bedeuteten. Als 1926 das Militär putschte und in Folge dessen die Diktatur etabliert wurde, gab es wenig Widerstand. Die Diktatur wurde von Teilen der Bevölkerung wie eine „Befreiung“ empfunden, da sich die soziale Lage zunächst besserte und mehr Ruhe einkehrte.
Im Verlauf der Diktatur gab es immer Widerstände, die mit scharfen Repressionen unterdrückt wurden. Zwischen 1936 und 1945 war die Repression am heftigsten.
Ein nicht zu unterschätzender Aspekt in der portugiesischen Politik war der Krieg gegen die Bevölkerung in den Kolonien. Portugal hatte Kolonien und wollte diese auf gar keinen Fall verlieren. Sie waren nicht nur ein wirtschaftlicher Faktor, sondern darüber hinaus auch für das eigene nationale Identitätsempfinden wichtig. Die Frage der Kolonien war ebenfalls für das Ende der Diktatur von entscheidender Bedeutung.
Was Widerstandsbewegungen im Untergrund anbelangte, so gab es nach Kippahl wenig effizienten wirklichen Widerstand, was sich auch durch das Ende der Diktatur in der Form eines Militärputsches widerspiegelte. Die Kommunistische Partei war relativ stark und die einzige Partei mit guten organisierten Strukturen. Sie hatte dementsprechend eine große Bedeutung, war dafür aber auch die am meisten verfolgte Organisation. In den 1960er Jahren gab es zwar Studentenbewegungen, die in ihrer Intensität aber nicht mit Spanien vergleichbar waren. Die Kirche war eng mit dem Regime verwoben und beide Seiten konnten auf gegenseitige Unterstützung setzen. Neben der Kirche gab es weitere Stützpfeiler der Diktatur, wie z.B. die Großgrundbesitzer, bedeutende Familien mit entsprechendem Kapital und Unternehmen sowie das Militär.
Über den Charakter der Diktatur in Griechenland berichtete anschließend Kostas Papanastasiou. Die Dauer der Militärdiktatur in Griechenland war – verglichen mit denen in Spanien und Portugal – verhältnismäßig kurz. Um diese Zeit aber richtig Einschätzen und Verstehen zu können, müsse man, so Papanastasiou, sich die lange Vorgeschichte bewusst machen. Er setzte 1936, vor dem Zweiten Weltkrieg, ein, also seit dem Zeitpunkt, als Griechenland eine faschistische Diktatur unter General Metaxas gewesen war. Anschließend schilderte er die Kämpfe in und um Griechenland, die 1940 gegen die Besatzungsmacht Italien und später auch gegen die deutsche Besatzung begannen. Alle leisteten laut Papanastasiou Widerstand gegen die feindlichen Angriffe, bis auf das Königshaus, welches ins ägyptische Exil ging. Ende 1944 war durch die britische Intervention der Krieg in Griechenland offiziell beendet. Der König kehrte zurück und arbeitete wieder mit den griechischen Kollaborateuren, die zuvor die Nationalsozialisten unterstützen, zusammen. Dies führte zum Beginn eines blutigen Bürgerkrieges. „Griechenland kämpfte gegeneinander“, so Papanastasiou, dieser Bürgerkrieg dauerte bis 1949. Es gab unter den Partisanen, die in die Berge geflohen waren, ca. 80.000 Tote. Sie galten als Kommunisten und wurden vielfach von einer sich überall bildenden Bürgerwehr bekämpft. Papanastasiou betonte, dass diese Auseinandersetzung bis heute ein großes emotionales Problem darstellt.
Ab 1950 wurde Griechenland von einer konservativen Regierung geführt. Für die Wahlen im Mai 1967 hatten laut Prognosen die konservativen Kräfte erstmalig keine absolute Mehrheit, der Wahlsieg schien der sozialistische EDA sicher. Als Reaktion darauf kam es zum Obristenputsch und den Beginn der griechischen Militärdiktatur, die bis 1974 andauern sollte. Papanastasiou schilderte die Situation der Griechen im Ausland, die „überhaupt nicht mit einem Putsch gerechnet“ hatten. Es gingen daraufhin „überall und jeden Tag“ Menschen auf die Straße, um dagegen zu demonstrieren, Nach dem Zusammenbruch der Junta etablierte sich erneut eine konservative Regierung unter dem aus dem französischen Exil zurückgekehrten Konstantinos Karamanlis.
Unter der Junta gab es laut Papanastasiou nicht so viele. Opfer wie im Bürgerkrieg. Im Gegensatz dazu war der Bürgerkrieg von wesentlich größerer Brutalität geführt worden. Die Opferzahlen hier entsprechen etwas denen der Opfer der Besatzung im Zweiten Weltkrieg.
Die anschließend an alle drei Referenten gerichtete Frage Ralf Bergers zielte auf die Verarbeitung der Diktatur in der Gesellschaft hin. Cristina Kippahl erklärte, dass die Aufarbeitung für Portugal nie ein sonderliches Problem war und diese Zeit aufgearbeitet sei. Problematisch sei es höchstens für Mitglieder der Geheimpolizei gewesen. Was allerdings das wirkliche Problem wäre, sei der Umgang mit den Kolonien. Hierzu waren Fragen jeglicher Art vor Ende der 1980er Jahre ein Tabu gewesen. Erst seit dem begann man sich allmählich mit dem Thema zu beschäftigen. Es bedurfte dazu, so Kippahl, erst einer neuen Generation. Aktuell habe das Thema Hochkonjunktur in den verschiedensten Bereichen, wie der Wissenschaft, aber auch in der Literatur und im Film.
Paco Mirallas erzählte in diesem Zusammenhang von „zwei Spanien“, die es gäbe. Die Gesellschaft hatte sich nach Volksschichten in Sieger und Besiegte aufgeteilt, eine Unterteilung, die im Kern bis heute so geblieben sei. Eine generelle Aufarbeitung sei aber, so erzählte er weiter, sehr schwierig. Erst langsam, besonders aber in den letzten Jahren, entstand größerer Druck zu einer ehrlichen Aufarbeitung der Geschichte. Dieser Druck entstand durch Organisationen, die sich erst in den letzten Jahren gegründet haben. Vorher war es selbst in Familien ein Tabu über diese Zeit zu reden. Das Amnestiegesetz von 1977 zeugte deutlich von dieser Schlußstrichmentalität.
Dieser Tendenz ist auch das umstrittene Gesetz zur historischen Erinnerung zuzuordnen, welches allerdings bisher kaum umgesetzt wurde. Dies zeigen die Bestrebungen des Madrider Untersuchungsrichter Baltasar Garzon Massengräber auszuheben, um so eine Exhumierungen und Identifizierungen von Franco-Opfern möglich zu machen. Dies scheiterte erst vor dem Strafgerichtshof, die Zuständigkeit wurde den jeweiligen regionalen Gerichten übergeben. Das Problem sei, so Mirallas, dass „die Ämter noch mit den selben Leuten von damals“ besetzt seien.
In Griechenland sei die Situation laut Papanastasiou eine andere. Griechenland sei das einzige Land, in dem der Widerstand nicht anerkannt wurde. Der Umgang und die Verarbeitung sei dementsprechend schwierig und die Spaltung der Gesellschaft ein Ausdruck davon. Die Auseinandersetzung wird – auch von Politikern – gescheut. „Ich pflege meinen faschistischen Nachbarn, da mir mein kommunistischer Nachbar mehr Angst macht“, verdeutlichte Papanastasiou die verbreitete Mentalität.
Im Anschluss gab es die Möglichkeit weitere Fragen an die Referenten zu stellen.
So zielte eine Frage darauf hin, ob in Portugal die breite Bevölkerung das Regime unterstützt habe. Kippahl verneinte dies, Unterstützung kam höchsten von denen, die viel zu verlieren gehabt hätten.
Was es jedoch gab und für viele Teilnehmer interessant erschien, ist die Tatsache, dass sowohl in Portugal als auch in Spanien die Friedrich-Ebert-Stiftung und die SPD den Aufbau der Sozialdemokratie unterstützten und massiv gegen eine Radikalisierung im Lande Einfluß nahm. Unterschiedlich war in beiden Ländern hingegen die Politik der USA. Während sich die Vereinigten Staaten in Spanien erheblich für die Stabilität des Landes engagierten, war ihnen Portugal relativ egal. Kissinger wollte, so Kippahl, das Land „den Kommunisten überlassen“.
Es wurde auch gefragt, ob es in Spanien der Post – Franco Zeit einen Volksentscheid gab, der den Rücktritt des Königs forderte, da Juan Carlos wichtiger Bestandteil des Regimes war und nach Carrero Blancos Ableben designierter Nachfolger Francos. Ein derartiges Referendum wurde allerdings nie zugelassen. Im Gegenzug dazu gab es jedoch immer wieder Forderungen die Monarchie abzuschaffen.
Nach den interessanten Vorträgen und Fragen gab es noch eine musikalisch schöne Überraschung zum Ausklang des Abends. Kostas Papanastasiou holte seine Gitarre hervor und sang einige seiner Lieder, die mit viel Gefühl vorgetragen, mit ebenso viel Applaus und Begeisterung aufgenommen wurden. Als Paco Mirallas ebenfalls mit Gitarre einstieg war der Abend vollends abgerundet.
Wir danken beiden an dieser Stelle noch einmal für ihr musikalisches Gastspiel!