�Occupied Landscapes�
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Bericht: �Occupied Landscapes� Als PDF
Am 18. 4. wurde im Allerweltshaus die Ausstellung �Occupied Landscapes� er�ffnet. Sie zeigt die Spuren, die der israelisch-pal�stinensische Konflikt in der Landschaft beider L�nder hinterl�sst. Anwesend war der Ausstellungsmacher Felix Koltermann. Sein Vortrag �A look from inside� stellte die Fotoausstellung in einen breiteren Kontext und lieferte den Hintergrund und die Entstehungsgeschichte der Bilder.
Veranstaltungsprogramm April, Mai, Juni 2008 als PDF
Nach einer kurzen Einf�hrung in die Veranstaltungsreihe �Erinnern f�r die Menschenrechte� durch die Moderatorin Sophie Hennis vom Allerweltshaus stellte Felix Koltermann sich und seine Arbeit zun�chst vor.
Er bereiste von September 2006 bis M�rz 2007 f�r sechs Monate in Israel und Pal�stina mit dem Ziel, Bilder und Geschichten zu sammeln, die wir in der deutschen Berichterstattung �ber den Konflikt ansonsten nicht zu sehen bekommen, Bilder und Geschichten von Menschen und Gruppen, die nach friedlichen L�sungen des Konflikts suchen. �A look from inside�, einen Blick von Innen aus friedensjournalistischer Perspektive, diesen bot Koltermann den G�sten im Allerweltshaus in seinem von einer aufwendig ausgearbeiteten Pr�sentation unterst�tzten Vortrag.
Hintergrund, Menschen, Geschichte und Orte � in diese vier Kapitel unterteilte Koltermann seinen Vortrag. Als erstes stellt er jedoch seine Arbeitsprinzipien vor: ein konfliktsensitiver Journalismus, der aufbauend auf einer gr�ndlichen Konfliktanalyse den Fokus auf Friedens- und Vers�hnungsprojekte legt und InterviewpartnerInnen sucht, die einen (selbst-)kritischen Blick auf ihre Gesellschaft haben.
Einige Bilder wichtiger Orte f�r die israelische und die pal�stinensische Gesellschaft sollten als Einstimmung auf die Region dienen: Die Strandpromenade von Tel Aviv als Symbol des israelischen �easy going�; die Holocaustgedenkst�tte Yad Vashem in West-Jerusalem als zentraler Bezugspunkt der j�disch-israelischen Identit�t; die goldene Kuppel des Felsendoms im seit 1997 besetzten Ost-Jerusalem � der drittheiligste Ort der Muslime; die Klagemauer in Ost-Jerusalem � die heiligste St�tte der Juden; die Gedenktafel an den von rechtsextremen Attent�tern ermordeten Jitzchak Rabin und das pomp�s gestaltet Ehrenmal f�r den verstorbenen Pal�stinenserpr�sidenten Jassir Arafat in Ramallah, dessen Foto auch an jeder pal�stinensischen Hauswand zu finden sei.
Hintergrund
Der Referent wies darauf hin, dass seine Darstellung des pal�stinensisch-israelischen Konflikts notwendigerweise reduziert sein m�sse. Er zeigte eine Karte der Region um den ZuschauerInnen die geographische Lage Israels, des Gazastreifens und der Westbank zu vergegenw�rtigen. Seine Konfliktanalyse sah sodann folgenderma�en aus: Israel sei von pal�stinensisch-islamistischem Terror bedroht, Pal�stina hingegen sei als Staat nicht existent, bestehe lediglich aus autonomen Enklaven und daraus erwachse ein Territorialkonflikt zwischen den beiden V�lkern. Dazu k�men soziale und �konomische Konfliktherde sowie religi�se und ideologische Spannungsfelder, wobei Koltermann die These vertrat, Religion und Ideologie dienten beiden Seiten als Rechtfertigung, seien jedoch nicht der Ursprung des Konflikts. Sichtbar sei der Konflikt in Gestalt der israelischen Streitkr�fte und pal�stinensischer Terror- und Widerstandsgruppen. Weitere wichtige Aspekte des Konflikts seien die Geschichtskonstruktionen auf beiden Seiten und ein asymmetrisches Machtverh�ltnis zwischen den Konfliktparteien, welches daraus resultiere, dass Israel ein anerkannter Staat sei, Pal�stina jedoch nur Autonomiestatus besitze. Zwei Extrempositionen st�nden sich diametral gegen�ber, dazwischen lie�en sich alle anderen Positionen und Gruppierungen anordnen: Die Forderung nach Gro�-Pal�stina (ein pal�stinensische Staat im gesamten Gebiet des historischen Pal�stina), wie sie die Hamas vertrete und die Forderung nach Gro�-Israel (ein homogener j�discher Staat auf dem gesamten israelisch-pal�stinensischen Gebiet), wie sie die nationalistisch-religi�se Bewegung in Israel vertrete. Eng verkn�pft mit dieser Bewegung sei die Diskussion um die �demographische Gefahr�, welche die in Israel lebenden Pal�stinenserInnen darstellten.
Vier Karten zeigten das israelisch-pal�stinensische Territorium in seinem historischen Wandel: Zuerst das zu Gro�britannien geh�rende historische Pal�stina in seinen Grenzen von 1922, dann der UN-Teilungsplan von 1947, der von den Pal�stinenserInnen und AraberInnen abgelehnt wurde und zum Unabh�ngigkeitskrieg f�hrte und schlie�lich die Grenzen, wie sie von 1948/49 bis 1967 galten, mit der zu Jordanien geh�renden Westbank und dem zu �gypten geh�renden Gazastreifen und den annektierten Golanh�hen. Nach dem Sechstagekrieg von 1967 war auch die Westbank und der Gazastreifen israelisches Staatsgebiet. Den Status Quo, das Ergebnis der Oslo-Konferenz, eine Karte, auf der die Westbank aus vielen kleinen einzelnen Punkten und Kreisen besteht, fasste Koltermann folgenderma�en zusammen: Die Westbank ist aus israelischer Sicht ein �umstrittenes� Territorium, aus der Sicht der internationalen Gemeinschaft jedoch ein besetztes Gebiet. 35% der Westbank sind pal�stinensisches Autonomiegebiet, der Rest geh�rt zu Israel oder ist milit�risches Sperrgebiet. De facto sei die Westbank unter israelischer Kontrolle und der Gazastreifen von Israel komplett abgeriegelt.
Auf die Karten folgten Bev�lkerungsstatistiken, aus denen sich zeigte, dass die pal�stinensische Bev�lkerung sehr viel homogener zusammengesetzt ist als die israelische: W�hrend in Pal�stina 95% Muslime und 5% Christen leben, geh�ren in Israel nur 80% der Bev�lkerung dem j�dischen Glauben und 20% sind Muslime, Druden und Christen. Auch mit Blick auf die Herkunft der Bev�lkerung stellt sich die israelische Gesellschaft sehr heterogen dar: 20% sind AraberInnen, die j�dische Bev�lkerung stammt in �hnlich gro�en Teilen aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion, Europa und Amerika, Afrika und Asien und aus Israel selbst. Wichtige Sprachen in Israel sind Arabisch, Hebr�isch, Englisch und Russisch.
Eine Statistik der Opfer des Konflikts seit 1987 zeigte, dass die Opferzahlen auf beiden Seiten anwachsen. In den zwei letzten Jahrzehnten sind 5591 Pal�stinenserInnen (darunter 2000 Zivilisten, sogenannte �Kolalateralsch�den�) und 1443 Israelis (davon sind zwei Drittel ZivilistInnen) gewaltsam umgekommen. �Jeder Tote ist einer zuviel�, betonte Felix Koltermann.
In einer letzten Statistik zeigte er den Verlauf der israelischen SiedlerInnen- und Siedlungsanzahl in der Westbank, wie er sich seit dem 1970 begonnenen �battle of the hilltops� darstellt. Die Statistik zeigte, dass sowohl die Zahl der SiedlerInnen als auch die der Siedlungen kontinuierlich steigt. Heute gibt es in der Westbank ca. 250.000 SiedlerInnen in ca. 120 Siedlungen.
Menschen
Nach diesen ausf�hrlichen Erl�uterungen zu den Ursachen des Konflikts wandte sich Koltermann dem Kapitel Menschen zu und stellte vier Menschen vor. Sie wurden mit einem Foto und einem aussagekr�ftigen Auszug aus den Interviews, die Koltermann mit ihnen f�hrte, portr�tiert und waren Sinnbild f�r Ausschnitte aus dem anderen Israel und dem anderen Pal�stina, nach denen Koltermann auf der Suche war.
Zum Beispiel Noah, 55, eine K�nstlerin aus Tel Aviv und Tochter eines israelischen Milit�rs. F�r sie sind Israel und Pal�stina wie siamesische Zwillinge, die nicht mit- und nicht ohneeinander k�nnen: �Auf beiden Seiten findet man Gruppen, die den Konflikt brauchen um zu �berleben.�
Oder Aziz, 28, ein Angestellter aus Ost-Jerusalem, der dort als Staatenloser lebt und sich in der Bewegung �Parent Circle� engagiert, die Familienangeh�rige von Opfern beider Seiten zusammenbringt: �Wenn ich wei�, was die �ngste und Bef�rchtungen des Anderen sind, kann daraus ein Dialog entstehen. F�r mich ist mein gewaltfreies Engagement der einzig gangbare Weg.�
Und Rafai, 29, ein Anwalt aus dem Norden der Westbank, der diese ohne Erlaubnis Israels nicht verlassen darf: �Ich pers�nlich glaube nicht an Gewalt. Wenn der Feind st�rker ist als du, musst du deinen Kopf einsetzen und kreativ sein.� Rafai engagiert sich in einem Radioprojekt, das israelische und ausl�ndische G�ste nach Pal�stina einl�dt und wird von pal�stinensischer Seite deshalb heftig kritisiert.
Schlie�lich Haggai, 23, ein Student aus Tel Aviv und Mitglied der Bewegung �New Profile�, einer linken politischen Gruppe, die Israel Militarismus vorwirft, den Kriegsdienst verweigert und Alternativen f�r Jugendliche fordert. Als solch ein Totalverweigerer war Haggai im israelischen Gef�ngnis: �Die j�dische Nation an sich ist eine Erfindung. Sie wird vom Militarismus zusammengehalten.�
Geschichten
Auf die Menschen folgten Geschichten von Projekten und deren Arbeit, dazu als Exkurs eingeflochten vertiefende Informationen �ber einzelne Aspekte des israelisch-pal�stinensischen Konflikts. Koltermann beschr�nkte sich dabei auf die beiden Organisationen �Physicians for Human Rights� und �Zachrot�.
�Physicians for Human Rights� ist eine israelische Menschenrechtsorganisation, die sich f�r das Recht auf Gesundheit einsetzt und mit mobilen Kliniken in pal�stinensische D�rfer f�hrt um die unzureichende Gesundheitsversorgung punktuell zu unterst�tzen. Die Orte, an welche die Freiwilligen fahren, werden von einer pal�stinensischen Partnerorganisation ausgew�hlt. Sie erreichen die D�rfer indem sie zun�chst die gut ausgebauten Stra�en nutzen, welche die israelischen Siedlungen in der Westbank miteinander verbinden und dann auf die Schotterstra�e, die zu einem pal�stinensischen Dorf f�hrt, abbiegen. Diese Diskrepanz in der Zug�nglichkeit der Orte nutzte Koltermann zu einem Exkurs zu dem Thema Besatzung und wie diese im Detail aussieht. Exemplarisch zeigte er an einem Dorf und dessen unmittelbarer Umgebung wie die zerkl�ftete Landschaft der Westbank aussieht: Checkpoints, Wacht�rme, Z�une und israelische Siedlungen schlie�en das pal�stinensische Dorf ein, was z.B. dazu f�hrt, dass die BewohnerInnen israelische Kontrollen passieren m�ssen um einen Arzt in der nahegelegenen Stadt aufzusuchen.
Der Name der israelischen Organisation �Zachrot� steht f�r �Remembering the Nahbah in Hebrew�. Diese Bildungsorganisation sucht nach pal�stinensischen Orten, die im Unabh�ngigkeitskrieg von 1948 zerst�rt wurden und setzt zwischen die Ruinen Tafeln, die auf das verschwundene und vergessene Dorf hinweisen. An dieser Stelle setzte Koltermann zu einem Exkurs zum Unabh�ngigkeitskrieg an. Der Unabh�ngigkeitskrieg hei�t auf Arabisch �Nakba�, was soviel hei�t wie Katastrophe. Zwar seien die historischen Ereignisse unvergleichbar, jedoch gleiche das Narrativ der Nakba im pal�stinensischen Selbstverst�ndnis dem Narrativ der Shoa im j�disch-israelischen Selbstverst�ndnis. Im Unabh�ngigkeitskrieg mussten 750.000 Pal�stinenserInnen fliehen und 418 D�rfer wurden zerst�rt. In der israelischen Geschichtsschreibung tauchen diese Fl�chtlinge nicht auf.
Orte
In diesem letzten Kapitel griff Felix Koltermann das Thema der er�ffneten Foto-Ausstellung auf: Wie spiegeln sich der Konflikt und die strukturelle Gewalt in der Landschaft wider? Er zeigte einige Bilder der Ausstellung und erkl�rte ihren Hintergrund: das Dorf El Makel in Galil�a neben dem eine breite Teerstra�e auf konfisziertem Land gebaut wird; ein pal�stinensisches Haus, das innerhalb des israelischen Sperrzauns steht; ein zerst�rtes Haus in Isawiya, Ost-Jerusalem, das wegen einer fehlenden Baugenehmigung nicht aufgebaut werden darf; ein Wachturm der israelischen Armee inmitten eines pal�stinensischen Wohnviertels in der Stadt Hebron in der Westbank; eine Mauer, die von israelischen SiedlerInnen errichtet wurde um pal�stinensischen Schafhirten ihren Weg zu versperren und schlie�lich als letztes Bild eine Aufnahme des israelisch-jordanischen Grenzzauns, der im Kontrast zu den vorherigen Bildern harmlos wie ein Gartenzaun wirkt.
Die Beteiligung an der anschlie�enden Diskussion war gro�. Es wurde zu der Entstehungsgeschichte der Fotos nachgehakt und der Referent betonte noch einmal, dass seine prim�re Motivation darin bestanden hatte, nach Bildern zu suchen, die in der t�glichen Berichterstattung des israelisch-pal�stinensischen Konflikts nicht auftauchen. Auf Nachfrage erz�hlte er auch von seinem Reisealltag in der Westbank, berichtete, dass er sich teils wie ein Pal�stinenser bewegt hatte und dementsprechend die israelischen Kontrollen passieren musste und teils mit israelischen Organisationen reiste und sich auf den israelischen Stra�en bewegte. Nach diesen pers�nlichen Fragen entstand eine teils hitzige Diskussion um Israels Umgang mit den UN-Resolutionen und die Frage des Status der Westbank. W�hrend ein Besucher Israels Missachtung der UN-Resolutionen stark kritisierte, bestand Felix Koltermann darauf, Israels Verhalten der internationalen Gemeinschaft gegen�ber nicht als einen Sonderfall, sondern als das g�ngige Verhalten eines auf seine eigenen Interessen bedachten Nationalstaats zu begreifen und bewerten.
Auch �ber m�gliche L�sungen des Konflikts wurde heftig debattiert, wobei der Referent die Situation eher pessimistisch einsch�tzte und sagte, dass viele in den 1990er Jahren initiierte Kooperations- und Vers�hnungsprojekte scheiterten, da Zusammenarbeit und Freundschaften zwischen Israelis und Pal�stinenserInnen zunehmend erschwert w�rden. Die Diskussion wurde vor allem dar�ber gef�hrt, inwieweit eine selbstkritische Haltung in Israel verbreiteter ist als in Pal�stina und inwieweit man solche eine Haltung von den Pal�stinenserInnen erwarten oder verlangen kann. Felix Koltermann verwies in dem Zusammenhang einer m�glichen Vers�hnung auf ein Schulbuch, dass j�ngst entwickelt wurde. Darin werden die israelische und die pal�stinensische Geschichtsschreibung einander gegen�ber gestellt und in der Mitte ist Platz f�r eine gemeinsame Geschichte, die es noch zu schreiben gilt. Doch nicht viele Kinder haben die M�glichkeit aus diesem Buch zu lernen. Die Diskussion fand ihren Abschluss mit den Worten einer Besucherin, die sich vor dem Hinausgehen an den Referenten wandte: �Wir haben heute viel dar�ber geredet, wie schwierig eine L�sung dieses Konfliktes ist. Ihr ausgesprochen ausgewogener und konstruktiver Vortrag sollte noch an vielen Orten geh�rt werden, er wird vielleicht zu einer L�sung beitragen.�