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Bericht: No Man’s Land


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von Sophia Georgidis
Bericht asl PDF

Am 6. Juni 2008 zeigten wir im Rahmen unseres Projekts „Erinnern für die Menschenrechte“ den Film des Regisseurs Danis Tanovic:No Man’s Land

Kriegs-Tragikomödie, Bosnien 2001, 98 min., mit: Branko Djuric, Rene Bitorajac, Filip Sovagovic, Katrin Cartlidge, u. a.
Leider war der Besucherzulauf an diesem Abend sehr gering gehalten, nur einige Vertreter der Veranstalterorganisationen und vier weitere Besucher fanden den Weg ins AWH. Statt weiterer Worte unsererseits drücken wir hier folgende Präsentation des Films, die auch unsere Eindrücke und Gefühle beinhaltet.

„Mit dem Spielfilmdebüt einen Oscar gewinnen, das schaffen nicht viele Regisseure. Vor allem nicht, wenn es um den besten fremdsprachigen Film geht. Erst recht nicht, wenn man aus dem cineastisch vollkommen unbeleckten (weil keine zehn Jahre alten) Land Bosnien-Herzegowina kommt. Ganz bestimmt nicht, wenn es eigentlich das Jahr der bezaubernden Amelie ist. Umso überraschender war der Erfolg von Danis Tanovics “No Man’s Land”. Fest steht jedoch, dass “No Man’s Land” nicht nur als erster relevanter Beitrag zum Balkan-Konflikt wahnsinnig wichtig, sondern auch der beste Kriegsfilm seit “Three Kings” ist. Und ein weiterer Beweis dafür, was man mit einfachen Mitteln alles erreichen kann.
Wer in einem gerade im mühsamen Wiederaufbau befindlichen Land wie Bosnien-Herzegowina einen Film drehen will, kann keine großen Sprünge machen. Aus dieser Not macht Tanovic jedoch eine kongeniale Tugend, indem er die gesamte zerfahrene Situation des Krieges auf wenige Personen und einen einzigen Schauplatz reduziert: Ein Schützengraben im Niemandsland zwischen der serbischen und der bosnischen Frontlinie, wo sich aufgrund von widrigen Umständen - deren komisch-tragisches Potential zu gut ist, um hier leichtfertig verraten zu werden - ein Serbe und zwei Bosnier wieder finden, von denen einer auf einer Springmine liegt, die explodieren wird, sobald man das Gewicht von ihrem Auslöser entfernt. Verfeindet aber beiderseits daran interessiert, lebend aus diesem Graben herauszukommen, ziehen die Soldaten in einer Zweckgemeinschaft die Aufmerksamkeit ihrer Kameraden auf beiden Frontseiten auf sich - die solche prekären Zwischenfälle am liebsten der UNO überlassen. Und eh man sich’s versieht, mutiert diese bizarre Situation zu einem mittelschweren internationalen Zwischenfall: französische UN-Blauhelme, die nach bestem Gewissen helfen wollen, ein englisches Kamerateam, das eine Riesen-Story riecht, ein deutscher Sprengstoffexperte, und fröhlich Kompetenzen verschiebende Vorgesetzte, denen es nicht um eine Lösung, sondern um die Wahrung des eigenen Gesichts geht.
Dass man in diesem Paradebeispiel fürs internationale Durcheinander des Balkan-Konflikts reichlich zu lachen hat, ohne dass die Ernsthaftigkeit der Situation vernachlässigt wird, ist wahrscheinlich Tanovics größte Leistung. Eine Kriegskomödie, die zu gleichen Teilen Absurdität als auch Tragik des bewaffneten Kampfes einzufangen weiß, ist ein schwieriges Unternehmen. Dieses auch noch derart überzeugend hinzubekommen verlangt ein wahres Ausnahmetalent.
In einer klassischen “One thing on top of the other”-Dramaturgie entfaltet Tanovic ein immer komplexer und bizarrer werdendes Szenario, hält sowohl Tempo als auch Unterhaltungswert seines Films auf permanent hohem Niveau und entwirft geradezu beiläufig in diesem kleinen Schützengraben einen Mikrokosmos des Bosnien-Krieges: Zwei verfeindete Soldaten, die dieselbe Sprache sprechen, aber dafür die ihrer vermeintlichen Beschützer nicht verstehen. Die sich gegenseitig die Schuld für den Krieg geben, während in dieser Frage immer der recht hat, der gerade eine Waffe in der Hand hält (”Weil ich ein Gewehr habe, und du nicht” ist ihre Standarderklärung auf jede Warum-Frage des anderen). Eine “Schutztruppe”, die nicht viel mehr als ein diplomatisches Alibi darstellt und vor lauter Nichteinmischungs- und Neutralitätsgrundsätzen in vollkommener Tatenlosigkeit versackt, während ihre Kommandanten auf einem Medienseminar in Genf verweilen. Eine omnipräsente Journalistenmeute, die die Unmenschlichkeit ans Tageslicht zerren will, das aber letztlich auch nur für die Quote tut. Und in der Mitte dieses ganzen Chaos ein armer, wehrloser Mensch (der hier stellvertretend fürs ganze bosnische Volk gesehen werden kann) auf einer Mine, die ihn unweigerlich töten wird, wenn ihm die zerstrittene Meute um ihn herum nicht zur Hilfe kommt. Und vielleicht selbst dann drauf geht.

Obwohl hier jede Figur einen enormen symbolischen Charakter hat, verliert sich “No Man’s Land” zu keinem Zeitpunkt in bedeutungsschwangerer Metaphorik, sondern bleibt auch auf seinem einfachsten dramatischen Level - der bloßen Entwicklung seiner Geschichte - mehr als wirksam. So kann er das Publikum über die volle Länge fesseln und ihm gleichzeitig elegant seine Kernaussagen unter die filmische Feinkost mischen.
Weitab von allen großen Schlachtfeldern zeigt Tanovic die mal absurde, mal öde, mal tragische Alltäglichkeit des Krieges, vermeidet es trotz seines persönlichen Hintergrunds, eine klare Position zu beziehen, wechselt elegant zwischen fast dokumentarischen sowie elegant satirisch-überhöhten Elementen und widersteht der nahe liegenden Versuchung, seiner Geschichte durch ein einfaches Happyend die Kraft zu nehmen.
Tanovic inszenierte ein klassisches Drama, setzte Humor ein, um das Groteske, ja Absurde nicht nur der Situation im Schützengraben, sondern dieses ganzen Krieges und des so genannten Friedensprozesses zu veranschaulichen. Da sticht kein Heldentum hervor, kein Pathos, keine erzwungene Illusion à la „Ich zeige euch, was Krieg ist“. Niemandsland – das steht auch für die Hilflosigkeit und das Scheitern jedes Filmes über den Krieg, jener Gewalt, die „nur“ das Eingeständnis des bodenlosen Scheiterns darstellt. Branko Djuric, Rene Bitorajac und Filip Sovagovic meistern ihre Rollen im Schützengraben dieses Niemandslandes exzellent und glaubwürdig. Kurz: Tanovic liefert einen ebenso einfachen wie komplexen, ebenso lustigen wie traurigen Streifen ab, der mit entwaffnender Ehrlichkeit und Offenheit zeigt, wie man im Kriegsfilm-Genre seinem Thema wirklich gerecht werden kann.“

F.-M. Helmke
Bilder: Courtesy of Arsenal Filmverleih, Copyright 2001

Auszeichnungen:
Oscarverleihung 2002: Bester fremdsprachiger Film.
Den Golden Globe und den Satellite Award gewann der Film in derselben Kategorie.
Filmfestspiele von Cannes 2001: Auszeichnung für das Beste Drehbuch und Nominierung für den Hauptpreis des Festivals, die Goldene Palme.
Kroatisches Motovun Film Festival: FIPRESCI-Preis
Niederländischen International Film Festival Rotterdam und Spanischen San Sebastián International Film Festival: Publikumspreis.
Sarajevo Film Festival: Publikumspreis und Preis in der Kategorie Bester Debütfilm.
Verleihung des französischen Filmpreises César: Bestes Erstlingswerk und Nominierung in der Kategorie Bestes Drehbuch.
David di Donatello-Preis: Nominierung in der Kategorie Bester ausländischer Film.
Europäischer Filmpreis: in der Kategorie Bestes Drehbuch. Branko ?uri? war als Bester Darsteller

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